Im Frühjahr 1972 erreicht die Auseinandersetzung um die Ostpolitik der sozial-liberalen Koalition ihren Höhepunkt. Nach Übertritten mehrerer SPD- und FDP-Abgeordneter zur Opposition glaubt der CDU-Vorsitzende Rainer Barzel eine Mehrheit im Bundestag zu haben. Durch ein konstruktives Misstrauensvotum will er Brandt am 27. April 1972 als Bundeskanzler ablösen.
Während der Abstimmung im Bundestag steht die Republik still. Schon seit Tagen kommt es zu Streiks und Demonstrationen gegen das Vorgehen der CDU und CSU, den Kanzler zu stürzen. Insgesamt gehen bis zu 400.000 Menschen auf die Straße. Die Aktionen entstehen von unten, sind weder vom DGB noch von der SPD organisiert. Die größten Proteste ereignen sich im Ruhrgebiet, aber sie erfassen die ganze Bundesrepublik, von Flensburg bis München.
Der Historiker Bernd Rother rekonstruiert erstmals die heute vergessenen Streiks und Demonstrationen, die eine der größten Protestwellen in der Geschichte der Bundesrepublik darstellen. Im Anschluss spricht er mit dem Bundestagsabgeordneten Tim Klüssendorf (SPD) über parlamentarische Arbeit und Protest heute. Moderation: Knud Andresen, Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg
Titelfoto: (c) Picture Alliance/ Lothar Heidtman
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